Eigentlich hatte ich die monatlichen Kolumnen für meine Homepage bis Ende des Jahres geplant. Ich wollte im Oktober über Reiseerfahrungen philosophieren, im November über den Tod meiner Mutter schreiben und im Dezember übers Geschenke machen. Doch Oktober ist Info-Monat Brustkrebs. Und aus dem angedachten Kurzinterview mit dem Medienverantwortlichen der Aargauischen Krebsliga wuchsen plötzlich Ideen für den ganzen Oktober. Dazwischen tauchte immer wieder das Gesicht meiner Mutter auf und das nicht nur in ihrer letzten Lebensphase. Ich sehe sie nachts auf dem Balkon an der Nähmaschine sitzen, weil ihre Töchter sich neue Sommerkleider wünschen. Eine Nachbarin bringt ihr Kleinkind, das gerade gestürzt ist, zu meiner Mutter: "Ruth bitte lueg emal, ich han Angscht, dass sich die Chli verletzt het." Die kleine, breite, immerwarme Hand meiner Mutter tastet das Kindergesichtchen ab und diagnostiziert: "Nei lueg, suscht würd sie briegge, wenn ich da druf klopfe." Ich sehe meine Mutter Pralinen rollen und Plätzchen backen, die sie verschenkte. Von grossen Reden hat sie hingegen nichts gehalten, schon gar nicht an Beerdigungen. "Jetzt het diese ja nüt meh devo", pflegte sie zu sagen. "Meh sött viel meh für die Läbige dasi, als für die Tote." Ich versuche ihre Weisheit umzusetzen, auf dass sie nicht nur für mich lebendig bleibt.