Lena war vor dem Fernseher eingeschlafen. Mitten in «I love trouble» mit Julia Roberts und Nick Nolte. Sie fordert den bequem gewordenen Kolumnisten mit den Ergebnissen ihrer engagiert recherchierten Artikel zu neuem Engagement heraus. Den Teil, in dem die beiden zusammenarbeiten, hatte Lena verschlafen. Wieder wach, spürte Lena ihrem eigenen Traum, Journalistin zu werden, nach. Sie träumte nicht erst seit gestern. Doch ihre Mutter hatte ihr immer von dem brotlosen Geschäft abgeraten. «Lern was Handfestes, geh ins Büro. Das kann man immer brauchen.» So hatte ihr Roberts Engagement in Buchhaltung und Finanzmanagement natürlich gut gefallen. Er schien ihr tolerant. «Schliesslich hat er nichts gegen deine Einsätze als freie Mitarbeiterin bei den Badischen Neuesten Nachrichten, auch wenn sich diese so gar nicht rechnen.» Lena erinnerte sich mit einem Schmunzeln an ihren allerersten Auftrag in Karlsruhe: Komposttag auf dem Marktplatz. In schicken Bundfaltenhosen und Blazer war so dort aufgetaucht. Obwohl das Wetter eher nach einer Windjacke verlangt hätte. Antje Larrsen von den BNN hatte den Auftrag, sie einzuführen. Sie war ihr nachgelaufen, hatte allen Gesprächen mit Bürgermeister und Verantwortlichen gelauscht. Eigene Fragen zu stellen, hatte sie sich noch nicht getraut. Zwei Stunden blieb sie auf dem Platz, bevor sie sich völlig verfroren zu Hause an den Computer setzte. Mit den ganzen Tipps von Antje Larrsen im Ohr schrieb sie einen Abend lang – und die Reaktion des Redakteurs am folgenden Nachmittag freute sie unbändig: «Das sieht doch gut aus. Vielleicht etwas weniger chronologisch. Und du musst mehr mit den Leuten reden, sie zu Wort kommen lassen. Nur indirekte Rede wird mit der Zeit langweilig. Aber alles in allem ist das doch ein guter Start.» Es folgten Geschäftseröffnung, Parteitreffen, Vereinssitzungen.


75 Jahre Bürgerverein Weiherfeld-Dammerstock

Zu Beginn ein «Jammerstock»

«Empfang im St.-Franziskus-Saal/ Erstmals gab’s Ehrungen

lkr. Zur Feier seines 75-jährigen Bestehens lud der Bürgerverein Weiherfeld-Dammerstock am Freitagabend zu einem Empfang in den St.-Franziskus-Saal ein. In seiner Begrüssungsrede blickte der Vorsitzende des Bürgervereins, Wolfram Meyer, zurück, wie alles angefangen hatte: «Trotz einiger Nachforschungen konnten wir das genaue Gründungsdatum unseres Vereins nicht ermitteln.» Damals sei nicht gefeiert worden, denn die Nachkriegsjahre hätten dazu keinen Anlass gegeben. Und doch lägen in der 1923 gegründeten «Siedlungsvereinigung im Gewann» die Ursprünge des heutigen Bürgervereins.

Lena schrieb. Und schrieb. Während sie von investigativen Geschichten träumte. Gespräche mit den Prostituierten auf den Parkplätzen im Industriegebiet, wo abends alle anderen Geschäfte geschlossen hatten. Wie ist es, in einer reichen Stadt wie Karlsruhe als Obdachloser zu leben? Die Musik aus dem Fernseher holte sie in die Realität zurück. «Fame – I m gonna live forever. I m gonna learn how to fly.» Die Schule des Ruhms geht in die zweite Runde. Bewirb dich jetzt für ein Casting in deiner Nähe und vielleicht bist du dabei, wenn die Kandidaten aus der Akademie für die ganz grosse Karriere kämpfen. Castings in Berlin – Hamburg – Stuttgart – Köln – München – Zürich – Bellinzona.» Zürich – Zürich – Zürich hallte es in Lenas Kopf nach. Das wäre doch eine Geschichte. Wie läuft so ein Casting tatsächlich ab? Als Kandidatin könnte sie es herausfinden. Lena fühlte sich ein wenig wie Günther Wallraff, als sie den Computer hochfuhr. 20. November stand auf der Homepage. Lena schrieb sich den Termin in die Agenda, lud sich das Anmeldeformular auf den PC, füllte die Blätter aus und mailte sie zurück. «Du bist verrückt», schallt sie die Stimme in ihrem Kopf. Sie sah auf die Uhr und fluchte. Es war kurz vor drei Uhr und in zwei Stunden würde der Wecker klingeln. «Zwei Lieder und eine eigene Choreografie – schlaf jetzt, da findet sich schon eine Lösung», versuchte sie sich zu beruhigen. Lena hatte Herzklopfen. Doch diesmal schlugen nicht Angst und Schmerz gegen ihre Rippen. Das Leben verschaffte sich Gehör.