Lena war müde und glücklich in ihre Wohnung zurückgekehrt. Sie machte sich ein Sandwich zum Abendessen, hielt die Eindrücke und Gefühle in ihrem Tagebuch fest. Gerade als sie sich schlafen legen wollte, klingelte es. Lena drückte den Knopf der Gegensprechanlage: «Hallo?» «Ich bins, Luis. Ich war auf dem Heimweg und hab an dich gedacht.» Lena musste schmunzeln, weil er ganz offensichtlich die Frage aller Fragen ihr überliess. «Willst du reinkommen?» «Wenn ich darf?» Statt einer Antwort drückte Lena auf den Knopf. Sie öffnete die Tür und sah ihn die Treppe hochkommen, unverkennbar Lederjacke und kahl rasierter Schädel. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, als sie ihn eintreten liess. «Hast du schon geschlafen?» «Nein, aber ich war auf dem Weg ins Bett.» Er hatte sich auf der Couch niedergelassen. Sie setzte sich daneben, wandte sich ihm zu, legte die Beine über seine Knie und den Kopf an seine Schulter. «Wow, hier hat sich einiges verändert seit dem letzten Mal.» «Ja», mit strahlenden Augen hob Lena den Kopf und sah sich in ihrer eigenen Wohnung um. Luis schaute sie an: «Du siehst gerade glücklich aus.» Lena lächelte, strich ihm über die Wange, küsste ihn. «Ja heute gehts mir gut.» «Was hast du denn angestellt?» «Ich hab nichts angestellt. Ich bin auf Reisen gegangen. Ich habe im Grand Hotel in Lugano zu Mittag gegessen.» Jetzt strich Luis Lena über die Wange und sie fragte: «Wie war dein Tag?» «Ich hab ihn mit ein paar Kollegen am Stammtisch verbracht. Also nichts Besonderes.» Einen Moment schwiegen beide. «Legen wir uns hin?», fragte Lena. Ihr Herz klopfte. «Wenn ich bleiben darf?» Sie nickte, stand auf, zog ihm das T-Shirt aus, zog am Gurt. «Die Jeans taugen auch nicht als Bekleidung in meinem neuen Bett.» Er lachte, liess die Hose auf der Couch. Dann lagen sie einander zugewandt zwischen Kissen und Decken. Luis wirkte hager, überall standen die Knochen hervor. Gleichzeitig war sein Oberkörper muskulös. Auf der Höhe des linken Schlüsselbeins hatte er ein Tattoo. Der Panther war gerade noch erkennbar. Lena fuhr die Konturen mit dem Zeigefinger nach. «Sieht scheisse aus, ist völlig unsauber gestochen», schimpfte er leise. «Hat es weh getan?» «Ein wenig, warum?» «Ich träum eigentlich schon länger von einer Tätowierung.» «Was würdest du dir denn stechen lassen? Eine Rose im Dekolletee, ein Teufelchen auf dem Bauch? Eine Katze auf der Hüfte?» Bei jeder Frage küsste er die Stelle, die er nannte. Lena musste tief Luft holen, bevor sie antworten konnte. «Nichts von alledem. Ich dachte lange an eine Rose auf dem rechten Oberarm. Aber inzwischen würde ich chinesische Schriftzeichen wählen.» «Und welche?» «Freiheit und Liebe.» «Warum hast du das Tattoo noch nicht?» «Robert fand Tätowierungen schrecklich. Schlimm bei Männern, indiskutabel bei Frauen.» «Und du hast dich gefügt. Aber jetzt könntest du es machen.» «Ja, könnte ich.» «Warum machst du es nicht?» «Ich kenn keinen Tätowierer.» «Aber ich.» «Hilfst du mir?» «Ist das eine Frage?» «Schön.» Sie küssten sich, rückten näher zueinander. Luis strich ihr über den Rücken. Mit den Fingerspitzen liess er Lenas Herz schneller schlagen. Und die Fingernägel lösten Erdbeben aus. Lena hatte das Lebensfeuer gesucht, jetzt erschrak sie fast vor der eigenen Gier. «Du sollst nicht so viel nachdenken.» «Wenn das so einfach abzuschalten wäre.» «Du brauchst keine Rücksicht auf mich zu nehmen», sagte Luis, hielt Lena an sich gedrückt. «Ich bin für dich da. Du kannst dir nehmen, was du willst.» Luis liess seine Hände wandern. Lena bog sich der Wärme entgegen. Irgendwann überliess sie ihrem Körper die Regie und genoss die Hitze des Einswerdens.

Als Lena zu sich kam, zog sie sich die Decke über. «Mich friert», erklärte sie. Luis strich ihr über die Wange und nickte. Dann schliefen sie beide ein. Gegen fünf Uhr morgens spürte Lena einen Kuss auf der Wange: «Hey, schöne Frau, lässt du mich raus?» Lena noch leicht verschlafen: «Aber nur weil du es bist.» Sie wickelte sich in eine Decke und brachte Luis zur Tür. Sie streckte ihm die Lippen zum Abschiedskuss entgegen, doch er neigte den Kopf leicht und biss sie zärtlich in den Hals. Lena überlief ein Schauer, sie zuckte zusammen. Luis küsste sie tief und leidenschaftlich. «Bis bald, schöne Frau.» Er lächelte und winkte ihr zu, als er langsam den Hausflur hinunterging. Lena legte sich wieder hin und träumte sich dösend noch einmal durch die vergangenen Stunden, bevor das «Kikeriki» ihres Handys sie in den Montag schickte.