Ich bin auf dem Weg ins Migros-Restaurant und freue mich auf einen Kaffee. Ein älterer Herr sitzt mit Freunden an einem Tisch, lächelt mich an und hebt die Hand zum Grusse. Ich versuche mich im Lächeln und nicke ihm zu. "Habe ich etwa schon wieder ein Gesicht vergessen", frage ich mich im Geheimen nervös. Nachdem ich Taschen und Jacke platziert habe, gehe ich auf dem Weg zum Tresen an ihm vorbei. "Schön wenn jemand so strahlt." "Mir geht es gut, wie geht es dir? "Mir geht es auch gut. Ich bin zufrieden." "Was für eine Floskel", tönt es in meinem Gehirn. "Schön, ich freue mich, wenn du dich freust." "Vielen Dank und einen einen guten Tag noch." Ich hole mir mein Frühstück, setze mich, greife automatisch nach Block und Stift. Ich arbeite ganz "normal" vor mich hin, bis es Zeit für den Einkauf ist, damit ich den Zug noch schaffe. Ich lächle den Mann noch einmal an, als ich an dem Tisch vorbei gehe. Eine Begegnung mit Folgen, den plötzlich sehe ich auch im Lebensmittelladen überall lächelnde Menschen. So viele, dass ich, glaube ich vor Verwunderung, mitlächle. Und es fühlt sich schon natürlicher an. Vielleicht können Sie es sich denken, es wurde ein guter Tag.

In der Zwischenzeit war ich auch immer wieder mal unterwegs. Die Begegnungen mit dem Lächeln aber schon seltener. Ich weiss nicht warum. Ich könnte Vermutungen anstellen. Lieber halte ich mich an die Fakten. Das Ende der Maskenpflicht ist gerade zehn Tage her, das Lächeln ist ein Baby. Und einem Baby würden wir nie sagen: "Jetzt hab dich nicht so, das Leben ist kein Ponyhof. Es dreht sich nicht alles um dich, musst halt selber kucken, wo du bleibst." Um ein Baby würden wir achtgeben, es würde Beschützerinstinkte wecken. Vielleicht sollten wir dem Lächeln ab und zu die Windeln wechseln, damit es wieder strahlt...