Heute beginnt der Seetaler Poesiesommer in Schweden und morgen steht der Besuch des Hallwyl-Museums in Stockholm auf dem Programm. Zeit eine Gegenwartsgeschichte aus dem Schloss Hallwyl in Seengen aufzuschreiben...

Der Geruch der Rosen hauchte ihren Zwischenwelten Leben ein. Sie sah sich das allererste Mal über die Brücke gehen. Mit Zwischenhalt, um die Enten zu beobachten und die Steine der Mauer zu befühlen. Sie stand mitten im Hof, hob den Kopf Richtung Himmel, fühlte sich den Frauen der Schlossgeschichte unerklärlich verbunden. Unterwegs über die Unebenheiten der Treppen, die zu Zimmern und Sälen mit aristokratisch anmutenden Sitzgelegenheiten führten. Es gab so unendlich viel zu sehen, dass sie sich reich fühlte. Svea lächelte. Wenn Menschen ein Wasserschloss bauen konnten, was würde die Welt sonst noch an Entdeckungen für sie bereithalten. «Er hat meiner Neugier Raum gegeben», murmelte sie. «Wer?» Ihr Neffe Levi war an den Tisch getreten und stellte den Kaffee ab. «Ein Freund, mit dem ich das Schloss besucht habe.» Sie hob sorgfältig einen Löffel Milchschaum aus dem Glas und genoss die weisse Wolke. «Der mir das Schloss gezeigt hat, um genau zu sein.» «Ein Freund. Oder dein Freund?» Svea schmunzelte. Levi pflegte einen direkten Umgang mit seinem siebten oder gar achten Sinn. «Ja, ich war verliebt, wenn du das wissen möchtest. Aber das war nicht das Wichtigste» «Das musst du mir genauer erklären.» Levi feixte. Sie feixte zurück und wollte ihn die Seite knuffen, doch dafür taugten die 80jährigen Handgelenke nicht mehr. «Das ist gar nicht so einfach.» Sie sog den Duft der Rosen ein. «Du weisst, dass ich Bücher liebe. Und Sprachen. Ich kann von einem Besuch im Kieswerk gleichermassen schwärmen wie von einem Joe Cocker Konzert.» Levi nickte. «Der Ursprung liegt in der Begeisterung der Menschen, die sie mit mir teilen. Der Freund von damals hat Geschichte lebendig werden lassen. Diese Energie ist wie ein Verliebtsein, das nicht endet.» Die beiden schwiegen. Svea sah Levi nicht an. Denn sie vermutete, dass er gerade ein Gespräch mit Wilhelmina von Hallwyl begonnen hatte.