Ich habe mich entschieden nach meinem Tod ein Insektenbüffet zu werden. An meiner Beerdigung sollen nur jene Leute schwarz tragen, die es brauchen. Und das musikalische Programm wird von Bon Jovi geprägt (ich gehe in flammendem Ruhm…). Aber wie soll der Weg bis dahin aussehen? Was, wenn Zuhause sterben aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist? Dieter Hermann kennt Antworten. Er ist seit bald fünf Jahren Geschäftsführer von Hospiz Aargau. Eine Begegnung vor Ort.

 

Hospiz Aargau gliedert sich in einen ambulanten und einen stationären Teil sowie den Bereich Trauerarbeit mit diversen Gefässen. Das Hospiz Stationär Palliativ Care in Brugg ist im dritten Stock eines Gebäudes untergebracht, das zum Medizinischen Zentrum gehört. Kein Wunder also, dass die Luft im Fahrstuhl nach Krankenhaus riecht. Doch kaum hat sich die Tür geöffnet, werde ich freundlich begrüsst. Nach dem Ausfüllen eines Formulars darf ich die Maske abnehmen und es mir auf dem Balkon bequem machen. «Den wollte ich unbedingt haben», wird Dieter Hermann mir später schildern. «Wir haben nur zwei Zimmer mit Balkon, aber ich wollte, dass all unsere Leute frische Luft schnappen können.»

Im Interview wird schnell klar: Dieter Hermann hat Visionen. Beruflich im Technologiesektor beheimatet, suchte er eines Tages nach einer neuen Perspektive. Das Sabbatical war noch nicht die Lösung. Dann lernte er an einem Weihnachtsmarkt Freiwillige von Hospiz Aargau kennen, die einen Stand managten. «Meine Kinder waren für die Kälte des Abends nicht gerüstet, also kaufte ich vier Schals.» Man kam ins Gespräch. «Das Herzblut und die Dankbarkeit, mit der die beiden über ihr Engagement in der Sterbebegleitung sprachen, hat mich mehr berührt, als ich beschreiben kann.» Seine Suche nach einer sinnvollen Aufgabe endet. «Ich wusste genau, das will ich machen und meldete mich als Freiwilliger.»

Dieter Hermann absolviert Kurse, sammelt in Praktika Erfahrungen. Nach zwei Jahren wird die Stelle als Geschäftsführer frei – er bewirbt sich und wird genommen. «Und genau hier bin ich ein absolut dankbarer, glücklicher Mensch.» Ihm sei bewusst, dass Glück nicht die geläufigste Assoziation zu einem Hospiz sei. «Menschen, die zu uns kommen, wissen, das ist ihre letzte Station. Das bringt Fragen mit sich, Unsicherheiten – auch für die Angehörigen.» Neben dem medizinischen Einsatz, damit der Kranke möglichst frei von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen in Würde sterben könne, stehe die Begegnung im Vordergrund. «Ein ganz kleines Beispiel», sagte Dieter Hermann. «Je näher der Tod kommt, umso schwerer fällt es den meisten Menschen zu trinken. Damit aber der Mund nicht austrocknet und das Atmen schmerzfrei bleibt, machen wir ganz kleine Eiswürfel, die wir demjenigen unter die Zunge legen können.» Diese würden individuell nach den Geschmäckern der einzelnen gefertigt. «Einen Pfarrer, der sein Leben stets der Einfachheit gewidmet hat, fragten wir nach seinen Wünschen und zählten Möglichkeiten auf.» Cola habe er nicht gekannt. «Nach unseren Erklärungen, ist er neugierig geworden und hat sie probiert. Er fand es toll, und meinte: Jetzt musste ich so alt werden, bis ich Cola probiere. Irgendwann konnte er nicht mehr sagen, was er brauchte. Aber bei Cola-Eiswürfeln hat er gelächelt – bis zum Schluss.» Momente wie diese, seien die Essenz. «Und wenn Hinterbliebene sich trotz Abschiedsschmerz beim Team des Hospizes bedanken, dann wissen wir, dass wir unsere Arbeit richtig gemacht haben.»

 

PS: Der Text ist länger als fürs Internet geeignet und dennoch ein winzig kleiner Ausschnitt. Bis zur nächsten Geschichte verweise ich darum Interessierte auf die Website www.hospiz-aargau.ch