Vielleicht erinnert sich die eine oder andere an folgende Szene aus "Club der toten Dichter": Robin Williams als John Keating fordert die Schüler auf, einen Text aus anderer Perspektive zu betrachten und sich dafür auf den Tisch zu stellen. Die Sequenz fiel mir wieder ein, als ich über die Berichte im Vorfeld zum heutigen Welttag der Frau  nachdachte. "Nur Männer im Rennen um die Nachfolge in der Comedyshow "Deville"", "Warum seid ihr nicht wütend" fragt Tamara Funiciello im Interview mit dem Blick, "Frau, schwanger, diskriminiert" - die Liste liesse sich fortsetzen.

Die Frage ist nicht, haben Frauen das Recht auf Gleichberechtigung? Denn das haben wir ohne Zweifel! Mich beschäftigt die scheinbar termingebundene Wut. Welttag der Frau, Streiktag, Equal Pay Day - in diesen Momenten bricht sich die Frustration Bahn. Aber was ist mit der Zeit dazwischen? Wie viele Frauen führen jahrelang den Haushalt allein, weil sie die Auseinandersetzung mit ihrem Partner fürchten? Möchte eine Frau keine Kinder werden ihr wahlweise Karrieregeilheit oder Unreife unterstellt - durchaus auch von Frauen. Mein lautes Lachen lässt viele Frauen zusammenzucken, den Kommentar "unpassend" habe ich nicht selten gehört. Immerhin gehört - denn oft kommunizieren Frauen die Urteile über Geschlechtsgenossinnen nicht offen. Sie fliessen scheinbar beiläufig in die Gespräche ein, offenbaren den Schmerz selbst erlittener Verletzungen. Um geschätzt, gewürdigt und geliebt zu werden, gehen Frauen oft Kompromisse ein, die sie langfristig wütend machen.

Ich wünsche uns Perspektivwechsel. Ich könnte meine Wut samt einem quid-pro-quo-Vorschlag platzieren. Wir Frauen können uns auch jenseits der gesammelter Aggression zusammentun - für Kinderbetreuung, für Unterstützung im Beruf, für die Erschaffung von Strukturen. Allein verändert keiner dieser Schritte die Welt. Aber auch der Wutschrei verhalt. Treffen wir uns doch stattdessen auf dem Tisch - und vielleicht laden wir ein bisschen später auch Männer ein. Denn neue Perspektiven schaden keinem Menschen...