Als Joseph Deiss in den Bundesrat einzog, war ich 22 Jahre alt und verfolgte Schweizer Politik aus dem fernen Deutschland. Meine Erinnerung an ihn zeigt mir einen sehr ruhigen, besonnenen Redner. Zum Auftakt des Seetaler Poesiesommers erlebte ich ihn geradezu übersprudelnd.

"Sind sie nervös?", fragte ich ihn im Festsaal auf Schloss Heidegg. "Selbstverständlich", antwortete er. "Das wäre sonst gar nicht gut. Ich meine, ich weiss ja nicht, was mich, oder besser wer mich erwartet." Im politischen Kontext oder an der Universität lasse sich das Publikum einschätzen. "Hier ist das Unwissen eine Herausforderung." Der passende Ausdruck in anderem Zusammenhang, wie sich bald herausstellte. Denn Joseph Deiss verknüpfte Deutsch und Französisch so flink, dass mir doch hie und da ein Wort verloren ging. Spannend aber war, wie er seine eigene Recherche nach immer neuen Herausforderungen beschrieb. Ich bewundere, wie aktiv er sein Leben gestaltet, frage mich aber gleichzeitig, wie er Erreichtes geniesst? Teilt er das mit seiner Frau und kommt darin seinem Glück näher? Der Vortrag war so dicht, dass ich gar nicht dazu kam, diese Fragen zu stellen. Noch nicht, denn schliesslich gibt es die Herausforderung seiner Bücher. Und vielleicht habe ich bis zu seiner nächsten Lesung mein Französisch aufgefrischt - dann stelle ich meine Fragen in der Sprache, die ihm am nächsten ist, un défi extraordinaire.