Marlies hatte sich ein Parfum gekauft. Sie konnte es kaum fassen. Ihr erstes Parfum. Was hatte sie in dem Geschäft gestaunt – ganze Regale waren voll mit glitzernden Flaschen gewesen. Rot, grün, pink, gold und silbern – irgendwann hatte eine Verkäuferin sie angesprochen. Die Frau sah seltsam aus. Sie trug bunte Ringelsocken zu ihren Stöckelschuhen. Aber sie hatte gelächelt. «Kann ich Ihnen helfen?» «Ich suche ein Parfum.» «Für Sie oder für jemand anderen?» «Für mich», hatte sie geantwortet und sich unglaublich dekadent gefühlt. «Haben Sie eine Vorliebe?» Jetzt schüttelte Marlies den Kopf. «Nein, ich habe noch nie Parfum getragen.» Wenn sie erstaunt war, so hatte sich die Verkäuferin nichts anmerken lassen. «Dann probieren wir mal zwei extreme Düfte, damit wir ihre Vorlieben etwas eingrenzen können.» Marlies wusste noch, das auf dem ersten Flakon «Chanel Nr. 5» stand. Dann hatte sie den Überblick verloren – bis zu ihrem Duft: «L’eau d’Issey». Das lange, schlanke Glas hatte seine eigene Architektur. «Das ist ein Klassiker. Aber nicht ganz günstig», hatte die Verkäuferin gesagt. «Das macht nichts.» Inzwischen war Marlies zu Hause angekommen. Sie ging die Treppe hoch und hatte keine Angst die Tür zu öffnen. Sie ging hinein, hängte den Mantel auf und packte ihr Parfum aus. Walter war tot. Den Flakon in der Hand ging Marlies von Zimmer zu Zimmer und sprühte etwas von der kostbaren Flüssigkeit in den Raum. Sie schnupperte. «Mein Zuhause», dachte sie und seufzte erleichtert auf.